Der 8. März ist erst der Anfang

Von Kerstin Wolter und Alex Wischnewski

Es gibt gute Gründe für Frauen und Queers am 8. März sowohl Lohnarbeit als auch nicht entlohnte Arbeit zu bestreiken.

Vielleicht hat die*der eine oder andere schon davon gehört, dass an diesem 08. März ein Frauenstreik organisiert wird. Von Jena nach Witzenhausen und von Höxter nach München haben sich lokale Netzwerke und Streikgruppen gebildet. Aber was soll das eigentlich sein, so ein Frauenstreik? Wer streikt da und was oder wer wird bestreikt?

Die Gründe für einen feministischen Streik sind fast so vielfältig wie die Frauen und Queers, die ihn vorbereiten. Noch immer verdienen Frauen im Schnitt 20 Prozent weniger als Männer, sie gehen viel häufiger in Teilzeitjobs, wenn sie Kinder bekommen, und sie sind häufiger von Altersarmut betroffen. Und ihnen wird nicht einmal zugestanden, freien Zugang zu Informationen zu erhalten, wenn sie eine ungewollte Schwangerschaft beenden müssen. Warum stehen also gerade jetzt Frauen und Queers weltweit gegen diese Zustände auf?

Frauen und Queers werden zwar weiterhin auf besonders üble Weise ausgebeutet und abgewertet, mittlerweile sitzen sie aber an den entscheidenden Schaltstellen der Ökonomie. Und auch die Politik ist immer weniger nur Männersache. Das mag erst mal bei einer sinkenden Frauenbeteiligung im Bundestag und einem scheinbar männerdominierten Arbeitsmarkt absurd klingen. Der Anteil der erwerbstätigen Frauen ist aber in den letzten Jahrzehnten immer weiter angestiegen. Der Haken ist, dass sie weiterhin den Großteil der nicht entlohnten Sorge-, Erziehungs- und Haushaltstätigkeiten übernehmen. Was aber auf der einen Seite zu einer zunehmenden Doppelbelastung führt, ist auf der anderen Seite ein riesengroßer Machtfaktor. Würden alle Frauen auf einmal all diese nicht entlohnten, häufig unsichtbaren Arbeiten niederlegen, würde das ganze System ins Wanken geraten. Denn niemand könnte überhaupt nur einen Schritt Richtung Lohnarbeitsplatz machen ohne all die Care-Arbeit, die Frauen und Queers leisten.

Eben deshalb wird bei einem feministischen Streik nicht nur die entlohnte, sondern auch die nicht entlohnte Arbeit bestreikt. Das Ziel ist aber dabei nicht, einzelne Männer – den Partner, den Kollegen und einzelne Vorgesetzte – individuell unter Druck zu setzen. Der Streik kann aber Ausgangspunkt dafür sein, eine Diskussion über ungleich verteilte Arbeiten anzustoßen – auch in heterosexuellen Paarbeziehungen.
Ziel ist es, auf lange Sicht das ganze System, das auf der Ausbeutung, Unterdrückung und Entrechtung von Frauen und Queers beruht, zum Einsturz zu bringen. Frauen und Queers auf der ganzen Welt haben lange genug für mehr Rechte verhandelt. Neue und alte Rechte scharen bereits mit den Hufen, wenn es darum geht, bereits erkämpfte Rechte erneut einzuschränken. Es ist nur folgerichtig, wenn wir anfangen, uns zu wehren – wie es Frauen und Queers auf der ganzen Welt bereits tun. Allein in Spanien sind am 08. März 2018 über sechs Millionen Menschen in den feministischen Streik getreten.

Doch bevor wir überhaupt richtig angefangen haben, versucht schon so mancher aus der klassischen Streikbewegung, Frauen und Queers das feministische Streikrecht abzuerkennen. Dann heißt es, Care-Arbeit zu bestreiken, sei ein rein symbolischer Streik und gar keine „richtige“ Arbeitsniederlegung. Im Umkehrschluss ist Care-Arbeit also keine richtige Arbeit? Wohl kaum. Dazu kommt, dass in Deutschland ein politischer Streik – also Arbeitsniederlegungen, deren Forderungen sich nicht direkt an den Arbeitgeber richten – verboten ist. Trotzdem wird es am 08. März bundesweit unzählige Streikaktionen geben. Täglich werden neue Aktionen geplant und es entstehen neue Netzwerke. Auf der letzten bundesweiten Streikversammlung haben sich die anwesenden Frauen und Queers auf drei zentrale Ausdrucksformen und Aktionen geeinigt:

  1. Die Farbe Lila ist unsere Farbe.
  2. Wir wollen dezentral und zentral um 5 vor 12 vor unsere Wohnungen, Häuser, Betriebe und Büros gehen und uns auf einen Stuhl setzen, um unseren Streik zu demonstrieren.
  3. Wir wollen um 17 Uhr in ganz Deutschland als Teil eines globalen Aufschreis unsere Wut hinausschreien. Egal, ob zu Hause, auf einer der vielen Demonstrationen oder Kundgebungen oder zusammen mit den Kolleginnen auf der Arbeit.

Frauen in vielen anderen Ländern werden es uns gleichtun. Auch in der Lohnarbeit wird ganztags gestreikt, so legen beispielsweise die Frauen und Queers am Maxim Gorki Theater in Berlin die Arbeit nieder.

Dieses Jahr werden Frauen und Queers das Land vielleicht noch nicht lahmlegen. Noch haben nicht alle von dem Streik gehört. Aber der erste Schritt hin zu einem Frauenstreik ist es, anzufangen, darüber zu reden. Die Frauenstreikbewegung ist ein Prozess des Widerstands, keine einmalige Aktion. Der 08. März ist erst der Anfang.

Zuerst veröffentlicht im Missy Magazin, 01.03.2019

Schreibe einen Kommentar