Autorwowigang

Immer muss man alles selber machen

Von Kerstin Wolter und Alex Wischnewski

Die vielfachen Krisen des letzten Jahrzehnts gebären ihre Kinder. In der Krise des Politischen vermögen altbewährte Formen nicht mehr zu überzeugen und neue Akteure entstehen. Dies geschieht nicht ohne Aufbegehren, ohne hitzig geführte Richtungsdebatten und daraus abgeleitete Rufe nach Erneuerungsprozessen oder gar Neugründungen (wenn das Ringen um Meinungsführerschaft sonst einfach zu lang dauert). Interessant ist, dass in den aktuellen Krisen und Auseinandersetzungen, es eine Gruppe in besonderer Weise schafft, diesen Kampf aufzunehmen und in einer nie dagewesenen Stärke zu führen: die Frauen. Warum ist das so?

Die auferstandenen und neuen rechten Kräfte haben es in dieser Situation geschafft, mit Debatten über Tradition, Werte und Kultur die Agenda zu bestimmen. (Um-)Verteilungsfragen werden durch eine Politik der Identitäten beantwortet. Diese Politik geht mit der Abgrenzung zu einem als fremd beschriebenen Außen und der Beschwörung eines eigenen, homogenen Volkes einher. In den Fokus rückt damit die Familie als Keimzelle dieses Volkes, die gegen die abgehobenen Genderwahn-Truppen der neoliberalen Eliten und die staatlichen Institutionen der links-grün-versifften 68er-Nachfolger verteidigt werden muss. Hinzu kommen rassistische Hetzjagden unter der Anrufung von Frauenrechten, von denen aktuell die 120db-Kampagne oder der sogenannte »Frauenmarsch« am 17. Februar in Berlin zeugen.

Angesichts dieser aktuell relativ erfolgreichen Erzählung von rechts Außen, springen Akteure aller Couleur über das hingehaltene Stöckchen. Ob Alexander Dobrindts (CSU) Anrufung einer »konservativen Revolution der Bürger« gegen die Meinungsherrschaft einer linken Minderheit oder Sigmar Gabriels (SPD) Sehnsucht nach »Heimat« und »Leitkultur«. Sahra Wagenknecht (LINKE) versucht sich vom Diktum bürgerlicher Parteien abzugrenzen, indem sie eine Rückwendung von Identitätspolitik zur sozialen Frage proklamiert. Die Antworten sind also jeweils andere, die von rechts aufgeworfenen Fragen aber bleiben Bezugspunkt. Was den weit größten Teil der öffentlichen Diskussion angeht, können wir aktuell tatsächlich von einer Art »Kulturkampf« sprechen.

Frauen auf der ganzen Welt haben diesen Kampf wie selbstverständlich aufgenommen und setzen damit dem rechten Diskurs die progressive Idee einer freien und gleichen Gesellschaft entgegen. Ihre Kämpfe haben sich bereits in der proletarischen Frauenbewegung im Spannungsfeld von Kultur- (Frauenwahlrecht, Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, Recht auf Bildung, Erleichterung von Scheidungen) und ökonomischen Kämpfen (Gleicher Lohn für gleiche Arbeit) bewegt.

In den aktuellen Debatten werden diese Verbindungen bewusst und unbewusst getrennt. Es ist kein Zufall, welche feministischen Bewegungen breite Aufmerksamkeit genießen: In Deutschland setzte die »Nein heißt Nein«-Reform, die das Selbstbestimmungsrecht ins Sexualstrafrecht einführte, bei aller Widersprüchlichkeit immense Mobilisierungspotentiale frei. Die »women’s marches« in Reaktion auf den Amtsantritt von Donald Trump waren die historisch größten Proteste in den USA und stießen auch in Deutschland auf Resonanz (die Wissenschaftlerin Erica Chenoweth an der University of Denver zählte am Wochenende der Amtseinführung Trumps zwischen 1,6 bis 2,5 Millionen Menschen, die sich an Protestaktionen in den USA beteiligten). Nur einen Monat später gingen allein in Berlin rund 10.000 Menschen zum Frauen*kampftag auf die Straße. Die aktuelle Debatte über Schwangerschaftsabbrüche knüpft an erfolgreiche Proteste in Polen und Spanien an. Und nicht zuletzt findet die Kampagne #metoo, die auf sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz aufmerksam machte, in Deutschland eine unvergleichbare Welle an Unterstützung. In Deutschland sind die Größenordnungen feministischer Kämpfe durchaus kleiner. Jedoch sind auch hierzulande feministische Kämpfe überproportional stark am Wachsen.

All diese feministischen Kämpfe finden auf dem Terrain des Kulturkampfes statt. Genau darüber schaffen sie es, ihre Breite zu entfalten. So begründete das »Time«-Magazin die Wahl der #metoo-Bewegung zur »Person des Jahres« mit der besonders schnellen kulturellen Veränderung, die sie nach sich zog. Was leider in der Debatte um #metoo in den Hintergrund gerät oder bewusst verschwiegen wird, sind die ökonomischen Veränderungen, die es braucht, damit die Kämpfe um Anerkennung und gegen sexuellen Missbrauch tatsächlich und nachhaltig Wirkung zeigen. Noch immer ein Schattendasein spielen feministische Debatten und Kämpfe um gute Pflege und Kinderbetreuung, um Minijobs und Rente. Das ist aber weder die »Schuld« der #metoo-Feministinnen, noch muss es so bleiben.

Sicherlich, vielen Feministinnen, die sich durch Kampagnen wie #metoo oder schon früher #aufschrei, angesprochen fühlten, liegt die Überwindung des Kapitalismus (noch) nicht am Herzen. Dennoch wäre es falsch sie zu ignorieren oder unsere Kraft darauf zu konzentrieren, sie zu bekämpfen. Vielmehr profitieren auch materialistisch argumentierende Feministinnen von einer Verständigung über feministische Differenzen hinweg. Durch den allgemeinen Auftrieb feministischer Forderungen können auch sie sichtbarer werden und Stärke für die eigenen weitergehenden Auseinandersetzungen ziehen. So begleitete Ai-jen Poo, die Direktorin der National Domestic Workers Alliance, die sich für die Rechte von Haushälterinnen, Pflegerinnen und Kindermädchen einsetzt, die Schauspielerin und Millionärin Meryl Streep zu der Verleihung der Golden Globes. Die marxistische Intellektuelle Angela Davis sprach auf dem Women’s March, zu dem selbst Hillary Clinton aufrief. Wobei Letztere jedoch zu jenen, bisher nicht be-, aber stets selbsternannten, »Feministinnen« gehört, deren neoliberale und militaristische Politik Angriffspunkt für jede linke Feministin ist. Aber ist es deshalb falsch, wenn sie Donald Trump für seine sexistischen Ausfälle kritisiert? Natürlich sind politische Auseinandersetzungen innerhalb feministischer Bewegungen essentiell. Aber sie stehen dabei in Spannung und Widerspruch mit einer feministischen und Frauen*solidarität, angesichts der Aufgaben, die uns noch bevorstehen.

Als Linke müssen wir den Kulturkampf von links aufnehmen und von Anfang mit materiellen Fragen verbinden. Also beispielsweise auf Fragen von Familien-, Geschlechter- und auch Migrationspolitik progressive Antworten geben und gleichzeitig die soziale Lage der Menschen verbessern. Als materialistisch denkende und handelnde Feministinnen warten und hoffen wir nicht auf Bewegungen wie #metoo, die kometenhaft aufsteigen und womöglich schon bald wieder verglühen. Aber jetzt ist diese Bewegung da. In Deutschland strukturiert der »Kulturkampf« die aktuelle Debatte vor. Wenn wir weiterkommen wollen, müssen wir uns darauf einstellen.

Zuerst veröffentlicht in der Zeitung neues deutschland, 15.02.2018

Auch Blaumänner wollen Zeit für Familie

Von Alex Wischnewski und Kerstin Wolter

»Ich habe überhaupt keine Zeit, soviel zu arbeiten«, platzte kürzlich einer Freundin heraus. Familie, Haushalt, Freundinnen, Liebschaften, politische Debatte, Ehrenamt, Weiterbildung, Hobbies – das Leben erfordert einiges von uns und könnte noch viel mehr bieten. Das wissen auch die Mitarbeiterinnen der Metallbranche. Das Ergebnis der großangelegten Befragung der IG Metall zum Thema Arbeitszeit war eindeutig: die Beschäftigten wollen selbstbestimmt weniger arbeiten. Deshalb fordert die Gewerkschaft in den aktuellen Tarifauseinandersetzungen nicht nur eine Lohnerhöhung. Sie fordert die Möglichkeit einer befristeten Arbeitszeitreduzierung auf 28 Stunden pro Woche, inklusive Rückkehrrecht in Vollzeit. Im Falle von Schichtarbeit oder von Kindererziehung und Pflege fordert sie sogar einen Lohnzuschuss durch den Arbeitgeber.

In einer Zeit, in der prekäre Beschäftigungsverhältnisse zunehmen, mag die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung nach purem Luxus klingen. Denn immer mehr Menschen arbeiten ungewollt in Teilzeit oder in schlecht bezahlten Vollzeitjobs. So würde ein Viertel aller Frauen gern ihre Lohnarbeitsstunden erhöhen. Und auch wenn die Löhne in Deutschland im Durchschnitt steigen, sieht die Lohnentwicklung bei der unteren und unteren Mittelschicht mau aus. Seit 2010 nehmen die Einkommen in der unteren Schicht kontinuierlich ab.

In der Metallbranche arbeiten hingegen nicht nur die meisten Angestellten in Vollzeit, auch der Durchschnittslohn liegt mit fast 3500 Euro brutto klar über dem gesellschaftlichen Durchschnitt. So ist das Anliegen der IG Metall ist mehr als eine kleine Verbesserung in einer gut organisierten Branche. Es wirft die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis von Lohnarbeitszeit und der Zeit für andere Lebensbereiche auf. Vor allem Frauen sehen sich in der Zwickmühle, sie sind scheinbar individuell einer Doppelbelastung oder »Teilzeitfalle« ausgesetzt. Dieses Problem wird nun kollektiv angegangen. Es geht damit im Kern nicht nur um eine revolutionäre Forderung, sie ist auch eine zutiefst feministische.

Dass das in der Metallbranche stattfindet, macht es noch interessanter. Denn vor dem inneren Auge tauchen unweigerlich Männer im Blaumann und Schutzhelm auf und keine mit Kinderwagen und Rollstühlen. Tatsache ist, dass nur rund 18 Prozent aller IG-Metall-Mitglieder Frauen sind. Deshalb zeigt der aktuelle Kampf: Der Wunsch nach mehr Zeit für die Familie, ist nicht länger allein ein Anliegen von Frauen. Auch Männer wollen zunehmend mehr Anteil an der Erziehung ihrer Kinder haben oder mehr Zeit für ihren Partnerin. Jetzt mögen Männerrechtsorganisationen davon faseln, dass der heutige Mann verlernt hat, ein richtiger Mann zu sein. Vielleicht erleben wir jedoch gerade ein Umdenken, was es bedeutet, ein gutes Leben zu haben.

Die Entwicklung der Produktivkräfte – das heißt der Technik und der menschlichen Fähigkeiten – hat in der Geschichte die Bedingungen dafür geschaffen, dass die Arbeiter*innen den endlosen Arbeitstagen schließlich mit der Durchsetzung des Acht-Stunden-Tages ein Ende setzen konnten. Mit der fortschreitenden Digitalisierung erreichen wir nun eine neue Stufe, die neue Arbeitszeitmodelle in die Diskussion bringt. Wir müssen sie nur erkämpfen. Die IG Metall steht vor den größten Auseinandersetzungen um die Arbeitszeit seit Jahren und damit an einem gesellschaftlich bedeutenden Punkt.

Das weiß auch die Kapitalseite. Ihr Widerstand ist heftig. Rainer Dulger, Gesamtmetall-Präsident, kommentierte die Forderung nach einem Lohnausgleich so: »Mehr Geld fürs Nichtstun wird es mit uns nicht geben.« Dass Dulger die Pflege von Angehörigen oder die Erziehung von Kindern als »Nichtstun« bezeichnet, zeugt nur von seiner eigenen Beschränktheit. Arbeit umfasst nicht nur Lohnarbeit, sondern auch die nicht entlohnte Arbeit am und mit dem Menschen. Feministinnen pochen darauf seit langem. Und: Damit eine Gesellschaft funktioniert, müssen alle in der Lage sein, sich politisch einzumischen. Zeiten wie diese zeugen davon. Zuletzt braucht jeder Mensch Zeit für sich selbst und die Entwicklung der eigenen Fähigkeiten. Nun kann sich jede*r ausrechnen, dass bei einem Vollzeitjob kaum Zeit für all dies bleibt. Eine radikale Arbeitszeitverkürzung für alle bei entsprechendem Lohnausgleich, verbunden mit der Förderung der öffentlichen sozialen Infrastruktur und der Ausweitung demokratischer Mitbestimmung, ist notwendig für ein gutes Leben für alle.

Auch wenn die Forderungen der IG Metall soweit noch nicht gehen, ihre Kämpfe haben großes Potenzial, über die Metallbranche hinauszuwirken. Was es jetzt braucht, ist Solidarität – auch von Feministinnen.

Zuerst erschienen in der Zeitung neues deutschland, 18.01.2018

Vorwärts: Wir brauchen eine Politik für morgen

Vorschläge für eine linke Politik, die die neue Arbeiter*innenklasse mitnimmt. Eine Antwort auf Diether Dehm und Wolfgang Gehrcke.

Von Kerstin Wolter und Alex Wischnewski

Die LINKE soll sich zur Arbeiterklasse hinwenden, fordern deren Abgeordnete Wolfgang Gehrcke und Diether Dehm in ihrem Kommentar »Ohne Rot-Rot gelingt kein Rosa-Rot-Grün[1]«. Das finden wir richtig – und gleichzeitig viel zu wenig. »Wen meint das neue Feindbild aus ‘alten weißen Männern’«, fragen sie. Wenn der Kommentar eines klar macht: Euch zum Beispiel, liebe Genossen!

Denn die Kritik am »alten, weißen Mann« richtet sich nicht etwa gegen »Geburt und Pigmentstatus«. Was der Begriff zu recht kritisiert, ist ein Politikverständnis, dass bei (alten) weißen Männern anfängt – und aufhört. Gehrcke und Dehm lassen so vor allem einen Begriff schmerzlich vermissen: Solidarität. Die Verbundenheit mit anderen Kämpfen auf Grundlage eines Gemeinsamen. Ist es nicht unser Ziel, »alle Verhältnisse umzuwerfen« – man beachte: ALLE -, »in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist«? Marxistisch-feministische, queere und intersektionale Ansätze und Praxen zeigen hier vorwärts, denn sie denken Differenz und Gleichheit zusammen. Erfahrung und Erkenntnis müssen zudem Hand in Hand gehen mit gemeinsamen Kämpfen. Aber wie?

Wer ist die Arbeiter_innenklasse?

Auch Gehrcke und Dehm sehen, dass die Auseinandersetzung mit Ausländerfeindlichkeit und Sexismus in sozialen Kämpfen kein Selbstläufer ist. Mehr kommt leider nicht. Wir finden, Aufgabe einer Linken muss es sein, die Kämpfe um soziale Gerechtigkeit mit den Kämpfen um Geschlechtergerechtigkeit, den Rechten von Homosexuellen und Transpersonen sowie Antirassismus konsequent zu verbinden. Nur so knüpfen wir an die alltäglichen Erfahrungen der Menschen an.

Denn die Arbeiter_innenklasse besteht schon lange nicht mehr nur aus Blaumänner tragenden Automechanikern. Der Pflegesektor hat die Automobilbranche an Jobs längst überholt. Die Arbeiter_innenklasse ist zunehmend weiblich, migrantisch geprägt und prekär. Sexismus und Rassismus drücken sich auch auf dem Lohnzettel aus.

Missachtet man das, so wie Gehrcke und Dehm, dann geht das imaginierte Mehr an Glück sehr schnell auf die Kosten marginalisierter Gruppen, dann verwischen die Grenzen zu Standortnationalismus und Wohlstandschauvinismus. Solidarität ist deshalb kein »kreatives Korbflechten von Minderheitsthemen«, wie die Verfasser behaupten. Sie ist die Voraussetzung moderner, linker Politik und der Grundstein eines starken Sozialstaates, der unterschiedliche Lebensformen anerkennt und absichert. Ein für uns zentrales Politikfeld für DIE LINKE ist dabei auch die Umverteilung von Erwerbs- sowie Sorgearbeit und Zeit. Noch immer sind es vor allem Frauen, die für ihre Arbeit geringer entlohnt werden, die länger arbeiten und doch den Großteil der unbezahlten Hausarbeit übernehmen. Die LINKE könnte in diesen Fragen zusammen mit den fortschrittlichen Teilen der Gewerkschaften eine Vorreiterrolle übernehmen.

Von Spaltung, Stimmung und Sanders

Gehrcke und Dehm bemühen eine Gegenüberstellung von Straße und Redner_innenpult. Das ist irreführend. Die Trumps, Le Pens und Petrys dieser Welt schüren gesellschaftliche Stimmungen und verschieben den Raum des Sag- und Machbaren. Die massiven Angriffe auf Migrant_innen in den letzten Tagen in den USA geben Zeugnis davon. Das Sein bestimmt eben nicht nur das Bewusstsein, sondern das Bewusstsein auch das Sein. Eine linke Rhetorik kann eine andere Stimmung begünstigen, die auf Solidarität und Menschenrechte statt auf Rassismus und Antifeminismus setzt.

Bernie Sanders hat es vorgemacht. Vermutlich hätte er sich deswegen gegen Trump durchgesetzt. Denn Sanders hat gleichzeitig ein kostenloses Studium sowie einen Mindestlohn von 15 US-Dollar gefordert, reproduktive Rechte verteidigt und die »Black lives matter«-Bewegung unterstützt. Er wollte die gespaltene Arbeiter_innenklasse zusammenführen, statt sie gegeneinander auszuspielen. Anders als das neoliberale Angebot Clintons, die die Spaltung mit etwas humanerem Antlitz personifizierte. Es geht eben um die Politik und nicht um »Geburt und Pigmentstatus«.

Gehrcke und Dehm können und wollen diese Gleichzeitigkeit aber nicht denken und so verirren sie sich in einer wirklichkeitsfremden Gegenüberstellung von »Kämpfen ‘von unten’« und »politisch correcte[r] Bevormundung«. Als hätte jemand behauptet, dass der Unterstrich die Welt verändert. Als würden linke Frauen deshalb nicht mehr für gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit streiten. Fast schon fühlt man sich erinnert an den Feldzug gegen Genderismus von AfD, besorgten Eltern und Co. Ein Spiel mit der Verwechslungsgefahr, das nicht nur falsch ist, sondern auch unnötig, um die Arbeiter_innenklasse für sich zu gewinnen.

Die Arbeiter_innenklasse erreichen

Warum sollte soziale Gerechtigkeit, die feministische und anti-rassistische Anliegen einschließt, die »Vorstellungskraft der zu Mobilisierenden überstrapazieren«? Diskriminierungserfahrungen und Belästigungen sind keine Frage der sozialen Schicht oder Schulbildung. Die von beiden erwähnte Jenna Behrends von der CDU ist dafür ein gutes Beispiel. Hat sie sich doch gerade nicht über den Sexismus der »Bildungsferne[n]« beklagt, sondern über den Sexismus in den eigenen, oberen Reihen.

Statt falscher Beispiele und alter Gewissheiten sollte DIE LINKE darüber nachdenken, wie sie die neue Arbeiter_innenklasse erreicht. DIE LINKE steht hierbei vor der großen Herausforderung, 1. eine Sprache zu sprechen, die von allen verstanden wird, 2. die großen und kleinen Probleme verschiedener Milieus ernst zu nehmen und 3. dabei die verschiedenen Ebenen von kulturellen und sozialen Kämpfen miteinander zu verbinden. Politik von weißen alten Männern und für sie, wie Gehrcke und Dehm sie vorschlagen, ist von gestern. Wir brauchen eine Politik für morgen.